Verblödung



derStandard.at – TEIL 1

Wenn mich nicht alles täuscht, verblödet die Menschheit. Ich merke es (neben Wahlergebnissen) vor allem auch an mir selbst. Ich muss mich in der Freizeit immer nachhaltiger von einer geistigen Anstrengung erholen, die ich mir möglicherweise nur noch einbilde. Das dankbarste Verblödungsinstrumentarium ist dabei der Fernseher. Vor den TV-Geräten verblödet uns die Menschheit, haben schon viele kluge Köpfe gewarnt. Früher waren es mehr, heute weniger, weil auch sie langsam verblöden (weil ja auch sie fernsehen).

Wenn ich mich von den geistigen Anstrengungen eines Tages erholen will, sehe ich leider immer öfter fern. Mein persönlicher Verblödungstest: Vera Russwurm vor 20 Jahren – ich drehe ab. Vera Russwurm vor zehn Jahren – ich blende mich aus. Vera Russwurm heute: Ich höre ihr minutenlang zu und merke, wie ich mich geistig erhole. Könnte ich mich dabei beobachten, würde ich mir vermutlich beim Verblöden zusehen. Im Übrigen halte ich “Vera” für eine vergleichsweise niveauvolle Talkshow. Wer rascher verblöden will, surft durch deutsche Unterhaltungslandschaften. Danke, dass ich das einmal ausführen durfte. Jetzt muss ich mich geistig erholen. Wo ist die Fernbedienung?

TEIL 2

Wie berichtet, verblödet die Menschheit. Die Maßeinheit der zeitgenössischen Verblödung ist die Quote. Sie ist aber auch das Ei jener Henne, wo man nie genau weiß, ob es nicht doch schon vor ihr da war. Denn es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder ist die Quote die Mutter der Verblödung oder sie ist ihr Kind.

Auf das servicemäßige Verblödungsinstrumentarium TV übertragen hieße das: Entweder das Fernsehprogramm wird immer schwachsinniger, um sich der bereits beträchtlichen Blödheit der Zuseher anzupassen. Oder wir Zuseher werden immer blöder, um im Placeboeffekt jenem schwachsinnigen Programm gerecht zu werden, das uns a priori für blöd verkauft.

Wenn wir nun noch den Faktor Geld ins Spiel bringen, so gilt: Was Quote schafft, wird gesendet. Je blöder das Programm, desto mehr Menschen schauen zu, desto reicher werden die Blödmacher. Oder umgekehrt: Je blöder die Menschheit, desto höher die Einschaltquote des Schwachsinns, desto reicher werden die Blödmacher, desto ärmer werden wir Konsumenten im Geist.

Früher bedeutete abschalten: abdrehen. Heute heißt abschalten leider immer öfter: fernsehen.





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kurios.at, 17. December 2003



Kategorie: Allgemein

One Response to “Verblödung”

Heribert van Tsullommnia-Bratelfink Says:

Echt leuchtet der Glanz der Goldenen Birne – sie erlanget jedoch nur eine hohe Stirne – auch singet sie höher als jeder sonst – weil niemand so hoch hinauf sich bonzt.

Ul-Ahu Transuffia (Goethe im Luderium)