Wo die Sprichwörter herkommen.



(?2002 ORF ON) – Sie sind fixer Bestandteil der Alltagssprache, kaum einer kommt ohne sie aus, vielen bereiten sie gute Dienste: Der Alltag,
die Werbung, die Politik sind voll von griffigen Redensarten und Phrasen unterschiedlichster Provenienz.

Ihr
ursprünglicher Gehalt und ihre Herkunft sind aber nur wenigen ein Begriff.

Gute Wünsche ohne Sinn?

So hat wohl jeder den gängigsten aller Silvesterwünsche für einen “guten Rutsch” noch im Ohr und assoziiert damit in der
Regel gerne “rutschiges” Eis und Schnee.

Doch wie viele Redewendungen im Deutschen hat dieser Ausdruck seine Wurzeln im
Jiddischen und damit im Hebräischen: “Rosh” (woraus Rutsch wurde) heißt nämlich auf Hebräisch “Kopf” und
“Anfang”.


Vom “Hals- und Beinbruch”


Und auch wenn es manchmal ganz einfach scheint, liegt man doch gänzlich
falsch: Der Ausdruck “gut betucht” kommt nicht etwa von – feinem – Tuch. “Betucht” ist vom ebenfalls hebräischen Wort für “sicher, zuverlässig” abgeleitet: “batuach”.


Auch das viel beschworene “Hals- und Beinbruch” ist nicht die Grußformel
der Orthopäden – mehr dazu in “Reicher Fundus: Jiddisch”.

Vermeintlicher Unsinn

Nicht selten verbergen sich hinter Redensarten ganze Anekdoten und beispiellose Begebenheiten, die den vermeintlichen Unsinn der Phrase erst enträtseln.
Andere Redensarten sind der Literatur entlehnt – mehr dazu in “‘Mein Name ist Hase'”.

Im Wandel der Zeit

Meist
ist aber einfach die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes nicht mehr bekannt; die Aussage ist folglich wörtlich nicht mehr zu verstehen.


Was man mit Nummern machen kann


Ein Beispiel für einen recht schillernden Gebrauch ist das
schlichte Wort Nummer. “Die Aufgabe war für ihn eine Nummer zu groß”, heißt es etwa, vielleicht in Ableitung aus
dem Bekleidungsbereich.


Ein Kompliment war, als es kürzlich in einem Sportbericht hieß: “Die Russen sind eine
Nummer für sich.” Eine Zeitschrift wusste unlängst ganz genau: “Auch auf dem Couchtisch lässt sich eine Nummer
schieben.”


Diese Art von Nummer ist sprachlich seit etwa 150 Jahren geläufig. Sie dürfte ihren Ursprung in der
Zählweise in der Bordellwelt haben.


Von Hunden und Menschen


“Wo der Hund begraben liegt” ist ein weiteres
Beispiel für ein schiefes Bild. Diese Redewendung hat nichts mit dem Vierbeiner zu tun, sondern kommt vom mittelhochdeutschen
“Hunde”, das Beute, Raub, Schatz bedeutet.

Vorsicht vor Verwechslungen


“Auf den Hund gekommen” waren Menschen
hingegen ursprünglich dann, wenn sie das eingravierte Schutzsymbol des Hundes in der Getreide-Vorratskiste sehen konnten,
weil nichts mehr drinnen war. Die stehende Wendung für jemanden, der alles verloren hat, ist geblieben.


Warum der Hund von Siurius kommt


Nochmals anders gelagert ist es bei den Hundstagen. Die heiß-schwülen Tage von Ende
Juli bis Ende August sind nach dem hellsten aller Fixsterne genannt, dem Hundsstern oder Sirius, der zu dieser Zeit den Himmel
beherrscht.

Peinliches Strudeln


So mancher “Phrasendrescher” gerät durch den eifrigen Gebrauch von
Redewendungen allerdings unfreiwillig ins Fettnäpfchen.


Die sinnentleerten und häufig verballhornten
(nach dem Buchdrucker Bal(l)horn) Redewendungen verführen nämlich häufig zu Verdrehungen und Versprechern.


Wo der Fettnapf zu Hause war


Ins Fettnäpfchen trat man übrigens ehemals in erzgebirgischen
Bauernhäusern, wo zwischen Tür und Ofen ein Fettnäpfchen stand, mit dessen Inhalt die nassen Stiefel der
Heimkehrenden sogleich geschmiert wurden.


Wer durch Unachtsamkeit das Fettnäpfchen umkippte und so Fettflecken
auf dem Boden verursachte, zog sich den Unwillen der Hausfrau zu.

“Mein Name ist Hase, ich verneine alle Generalfragen, ich weiß von nichts” war der Ausspruch eines Studenten namens
Victor Hase, der 1854 beschuldigt wurde, einem Kommilitonen, der einen anderen im Duell getötet hatte, die Flucht nach
Frankreich ermöglicht zu haben.

Seine Aussage vor dem Universitätsgericht wurde in abgespeckter Form bald
sprichwörtlich.

Literarische Vorbilder


Andere Redensarten sind der Literatur entlehnt. Das kleinliche
“Beckmessern” etwa geht zurück auf Richard Wagners Oper “Die Meistersinger von Nürnberg”.

Sixtus Beckmesser
ist eine Figur der Oper, die pedantisch alle Regelverstöße beim Gesangswettbewerb notiert.

Sag es mit
Shakespeare

Das Sprichwort: Morgenluft wittern – also “eine Chance sehen” – leitet sich von Shakespeares “Hamlet” (I, 5) ab,
wo der dem Sohn als Geist erschienene Vater ausruft: “Doch still, mich dünkt, ich wittre Morgenluft.”

Bei Shakespeare ist
dieser Ausruf wörtlich zu verstehen, da der Geist bei Tagesanbruch wieder verschwinden muss.

Der springende Punkt


Der griechische Philosoph Aristoteles spricht davon, dass sich im Weißen des Eies das Herz des werdenden
Vogels “als ein Blutfleck” anzeige; dieses Zeichen hüpfe und springe.

In einer Übersetzung wurde das Ganze dann
mit “quod punctum salit” als “springender Punkt” wiedergegeben. Daraus wurde der noch heute sehr geläufige “springende Punkt”.

Des Pudels Kern

Jede Menge stehender Redewendungen stammen aus der Feder Johann Wolfgang Goethes, insbesondere
aus dem “Faust”: vom sprichwörtlich gewordenen “Pudels Kern” über “die Erde hat mich wieder”, “es irrt der Mensch, solang
er strebt” bis zu “Heinrich, mir graut’s vor dir”.

Woher die falsche Ente kommt

Der Ausdruck “Zeitungsente” als
Synonym für eine Falschmeldung kommt von einer englischen Abkürzung, die für nicht bestätigte Berichte an Stelle
eines Agenturvermerks benutzt wurde.

“N.T.” bedeutet eigentlich “not testified”, spricht sich aber im Deutschen ähnlich
wie “Ente”.

Links:

Redensarten-Sammlung
Sprichwort-Datenbank





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kurios.at, 20. January 2002



Kategorie: Allgemein

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