The Painstation



(derstandard.at, 20. Apr 2002) Blank poliert steht sie da und wartet auf ihre Opfer. Die Painstation ist die gemeinste Computerkonsole der Welt. Volker Morawe (31) und Tilman Reiff (30), zwei Studenten der Kölner Kunsthochschule für Medien, haben ein Videospiel entwickelt, das die Kontrahenten mit körperlichen Strafen züchtigt. Auf den ersten Blick sieht der tückische Automat aus wie ein gut gepflegter Elektroherd, in dessen Oberfläche ein Computermonitor eingepflanzt wurde. Doch das Innenleben der Painstation birgt Qualen und Leiden.

“Pong” revisted

Die Aufgabe, die es zu erfüllen gilt, entstammt eigentlich aus der Kreidezeit der Computerspiele: Zwei Spieler, die sich wie beim Tischfußball gegenüber stehen, müssen mit einem Drehknopf ein Racket navigieren und sich einen Ball zuzuspielen. Das erinnert an Pong, den Spielklassiker aus den 70ern; primitives Balkentennis, Telesport für sonnige Gemüter. Nicht ganz so niedlich sind die Sanktionen. Wenn das Racket den Ball verfehlt, verabreicht die Maschine der linken Hand Peitschenschläge, Stromstöße oder Hitzeschocks. Bis einer der Duellanten aufgibt.

“Gute Freunde ganz gemein”

Das klingt grausamer als es ist, tatsächlich entspricht die Schmerzdosis vielleicht einer Partie Folter-Maumau. Die Grundidee dieses perfiden Kinder-Kartenspiels hat die Medienkünstler zum Bau der Painstation inspiriert. “Uns hat fasziniert, dass gute Freunde plötzlich ganz gemein werden können.” Bei der Painstation löst ein zentrales Bauteil, die Pain-Execution-Unit (PEU), diese Gemeinheiten aus. Angetrieben durch einen Elektromotor prügelt dann eine Mini-Peitsche auf den Handrücken ein. Oder ein umgebauter Scherzartikel jagt Stromstöße durch die Fingerspitzen. Am fiesesten ist die Hitze, die von einer Infrarotlampe ausgeht. So wird das Metallgitter, auf dem die Handfläche liegt, immer heißer – wie ein Raclette-Ofen.

Polarisierung vorprogrammiert

Solcherlei Züchtigungen polarisieren natürlich. Im Internet haben sich Debatten entzündet, was von dem Foltertisch zu halten sei. Manche wollen den Automaten am liebsten verschrotten lassen. “Die finden das Spiel total krank und glauben, das sei ein Spiegelbild unserer verkorksten Gesellschaft”, sagt Morawe. Man könnte die beiden Erfinder nun als Sympathisanten bizarrer Leidenschaften charakterisieren, die einen Fetisch für SM-Fans entwickelt haben. “Auf diese Szene haben wir aber gar keinen Bock.” Viel eher sind Reiff und Morawe zwei kreative Tüftler, die in Computerspielkreisen eine Diskussion entfacht haben: Wie könnte sich das Genre konzeptionell weiter entwickeln?

“Du hängst auf der Couch, glotzt und ballerst”

“Es ist ein Mangel, dass Videospiele die Spieler überhaupt nicht physisch involvieren”, sagt Reiff. “Du hängst auf der Couch, glotzt und ballerst.” Er sieht die Painstation deshalb als Schnittstelle zwischen der virtuellen Welt und der realen. Doch ist es wirklich ein menschliches Urbedürfnis, sich von einer Peitsche den Handrücken verdreschen zu lassen? Offensichtlich liegt der Reiz der Painstation darin, die Spieler in die Grenzbezirke des eigenen Schmerzempfindens zu führen. Es geht um Adrenalin-Kicks und Durchhaltevermögen, um Schadenfreude und den archaischen Drang, sich im Zweikampf zu messen. “Gewinnen bereitet unter Schmerzen besonderen Spaß, weil der Einsatz höher ist”, sagt Reiff. Außerdem bedient die Painstation Voyeure. Wie Schlägereien in Dorfdiscos oder elektrische Rodeopferde bei Westernshows.

Für die beiden Erfinder ist die Painstation primär ein Kunstobjekt. Ob der TÜV den Apparat mit Wonne begutachten würde, ist eine andere Frage. Ein Automatenhersteller aus England hatte per eMail sein Interesse bekundet, dann aber abgewunken, aus Gründen ungeklärter Hygienefragen: Die Peitsche muss nach jedem Spiel desinfiziert werden. Solche Probleme halten die beiden davon ab, die Konsole offensiv zu vermarkten.

Medien-Hype

In den USA hat sich trotzdem ein kleiner Medien-Hype um die Painstation entwickelt. Ein Fernseh-Journalist aus New York reiste in diesen Tagen nach Köln, um einen Beitrag zu drehen. Und als das berühmte Internet-Magazin Wired die Painstation auf seiner Webseite vorstellte (“No Pain, no Game”), wurde die Homepage (painstation.de) binnen zwei Tagen 30.000 Mal angeklickt. Gut für die Publicity, schlecht für den Geldbeutel – Reiff und Morawe mussten die Seite vom Netz nehmen: “Wir hatten zu viel Datenverkehr, das wurde uns zu teuer.” Anmerkung der Redaktion: Allerdings ist die Painstation NEU mittlerweile schon wieder online.(Markus Hofmann/ DER STANDARD, Album, Printausgabe vom 20.4.2002)





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kurios.at, 20. April 2002



Kategorie: Allgemein

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